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Veröffentlicht am 16. Juni 2025

CO₂ Speicherung im Untergrund: Ein Projekt für den Klimaschutz

Im zürcherischen Trüllikon steht ein zukunftsweisendes Pilotprojekt an: Im einstigen Bohrloch der Nagra testet der Bund gemeinsam unter der Federführung der ETH-Zürich, ob sich auch hierzulande CO2 sicher im Untergrund speichern lässt. Bereits im nächsten Jahr sollen die ersten Tests durchgeführt werden.

Bei Trüllikon gibt es ein Fenster in den geologischen Untergrund – und damit eine Möglichkeit, zur CO2-Reduktion in der Schweiz beizutragen. In der Gemeinde im Zürcher Weinland führte die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) vor wenigen Jahren eine Tiefbohrung durch, um das Gestein im Untergrund auf seine Eignung für die Lagerung von radioaktivem Material zu prüfen. Die Nagra schlug schlussendlich einen anderen Standort für das Tiefenendlager vor. Doch das gut 1300 Meter tiefe Bohrloch bei Trüllikon wird vorerst nicht verschlossen. Denn statt radio- aktiver Abfälle soll schon bald ein anderes Molekül tief in den Gesteinsschichten verschwinden: CO2. Der Bund möchte die Machbarkeit der Speicherung von flüssigem, dichtem CO2 in der Schweiz prüfen. So hat im Herbst 2024 das Bundesamt für Landestopografie das Bohrloch von der Nagra übernommen und plant nun gemeinsam mit der ETH Zürich, dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und dem Bundesamt für Energie (BFE) ein Pilotprojekt, um das Potenzial und die Herausforderungen der Einspeisung vonCO2 im Schweizer Untergrund zu untersuchen.

Ideales Gestein tief im Untergrund

Für Herfried Madritsch, Koordinator Geoenergie bei swisstopo, «bietet sich hier eine Opportunität, die die Schweiz nutzen kann». Dank der Vorarbeiten der Nagra bestehen bereits sehr detaillierte Kenntnisse über die lokalen geologischen Verhältnisse.» Diese Vorarbeit müsse also nicht mehr geleistet werden.

Während die Nagra vor allem den Opalinuston in rund 900 Meter Tiefe untersuchte, liegt das Augenmerk bei der Einspeisung von CO2 auf einer anderen, noch tiefer liegenden geologischen Schicht: dem sogenannten Muschelkalk in 1100 Meter Tiefe. Bei diesem Kalk- und Dolomitgestein handelt es sich um einen Tiefengrundwasserleiter, der sich im Untergrund nahezu über das gesamte Schweizer Mitteland ausdehnt. Solch Salzwasser führenden Gesteinsschichten seien theoretisch ideal für die Speicherung von CO2, sagt Madritsch. Hier lässt sich das Kohlendioxid, das in flüssiger Form in den Boden gepumpt wird, lösen und verteilt sich anschliessend in der Gesteinsschicht. Damit das gelöste CO2 nicht wieder an die Oberfläche gelangen kann, braucht es ein Deckgestein, das dies verhindert. In Trüllikon gibt es eine erste solche geologische Barriere direkt über dem Muschelkalk. Darüber folgen weitere Deckschichten, unter anderem der bereits intensiv studierte und für sehr dicht befundene Opalinuston.

Beim Pilotprojekt gehe es nicht darum, ein neuartiges Verfahren zu testen, betont Madritsch. Dieses wird anderenorts routinemässig angewandt. So wird in den USA und Kanada CO2 im Boden gespeichert, in Europa hingegen erfolgen CO2-Speicherungen bislang vor allem tief unter dem Meeresboden. Das Projekt hat zwei Hauptziele, sagt Madritsch: «Erstens soll im sehr kleinen Massstab untersucht werden, wie viel CO2der Muschelkalk tatsächlich aufnehmen kann.» Besonders wichtig sei dabei die Injektivität, also wie gut sich ein Gas oder eine Flüssigkeit in die Gesteinsschicht einbringen lässt. Die Einspeiserate spielt dabei eine zentrale Rolle. Zweitens soll nachgewiesen werden, dass das CO2 sicher im Untergrund bleibt und nicht entweicht. Das Pilotprojekt dient im kleinen Masse zudem als Testlauf für die behördlichen Genehmigungsprozesse einer CO2-Speicherung. Falls eine Konzession erteilt wird, werden die technischen Abläufe durchgespielt – von der Überwachung der CO2-Injektion und des geologischen Speichers bis hin zum gesamten Prozess von der Abscheidung bis zur Speicherung. Ausserdem soll geklärt werden, unter welchen Bedingungen sich so eine Anlage betreiben lässt.

Mit modernster Technologie und fundierter Wissenschaft prüfen wir, wie CO2-Speicherung in der Schweiz sicher und zuverlässig zur Klimastrategie beitragen kann.
Herfried Madritsch, Koordinator Geoenergie beim Bundesamt für Landestopografie

Sichere Wege einschlagen

Unabhängig von den gewonnenen Erkenntnissen bildet dieses Pilotprojekt keinen Vorentscheid, ob die Schweiz in Zukunft CO2 in geologischen Schichten einbinden wird und wo dies gegebenenfalls geschehen würde. Wie es danach weitergeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Eines kann Madritsch aber ausschliessen: «Bei Trüllikon wird dereinst sicher kein CO2-Speicher realisiert.»

Aufgrund der lokalen Beschaffenheit des Muschelkalks sei davon auszugehen, dass sich der Untergrund in diesem Gebiet nicht für eine grösser angelegte Speicherung von Kohlendioxid eigne. Das Gestein ist gemäss derzeitigem Wissenstand nur wenig durchlässig, sodass grössere Mengen an CO2 nur sehr langsam aufgenommen werden können.

Was also ist nach Abschluss des Pilotprojekts geplant? «Dieser Einspeisetest ist ein erster Schritt, der später weitere Türen öffnen soll», sagt Andreas Möri, Leiter Georessourcen bei swisstopo. Das Pilotprojekt solle dabei helfen, das Potenzial, das sich hierzulande bietet, besser zu erforschen. Denn eines sei klar: Es gebe gewisse CO2-Emissionen, die sich auch künftig nicht verhindern liessen, zum Beispiel von Kehrichtverbrennungsanlagen oder aus der Zementindustrie. «Dieses CO2 müssen wir aus dem Verkehr ziehen, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen.» Die Schweiz als Binnenland hätte es gar nicht leicht, offshore, unter dem Meeresgrund, CO2-Speicher zu nutzen. Eine Lagerung in der Nähe wäre daher sinnvoll, nicht zuletzt um zusätzliche Emissionen zu vermeiden. Wo solche CO2-Speicher dereinst genutzt werden könnten, lasse sich heute nicht sagen, betont Möri. «Dazu müssen wir zuerst den Untergrund noch besser erforschen.» Mit dem Pilotprojekt bei Trüllikon werde nun ein erster Schritt in diese Richtung gemacht, sagt Möri. Klar sei jedoch, dass nicht der Bund selbst künftige CO2-Speicher betreiben werde, sondern vielmehr private Akteure aus Industrie und Wirtschaft. «Mit dem Pilotprojekt in Trüllikon unterstützen swisstopo und die anderen Partner künftige Initiativen zur Speicherung von CO2 im Schweizer Untergrund. Wir ebnen dafür einen sicheren Weg.»

In Trüllikon ist man gelassen

Es ist sinnvoll, dass das Bohrloch für weitere wissenschaftliche Zwecke genutzt werden kann.
Claudia Gürtler, Gemeindepräsidentin Trüllikon

Es liegt in der Natur der Sache, dass ein solcher Einspeisetest kritisiert wird. Gegner und Gegnerinnen warnen vor möglichen Sicherheitsrisiken wie CO2-Lecks oder Erdbeben, die durch den Druck bei der Einspeisung des CO2 entstehen könnten. Herfried Madritsch kann jedoch beruhigen: Das Verfahren sei gut etabliert und derartigen Risiken äusserst gering. Dennoch würden denkbare Gefahren sorgfältig geprüft. Ein Monitoring während des Pilotprojekts ziele darauf ab, nachzuweisen, dass alles dicht sei.

Fragen zur Sicherheit tauchten auch in der Standortgemeinde Trüllikon auf. Der Gemeinderat habe diese Fragen gesammelt und der ETH und swisstopo zukommen lassen, sagt Gemeindepräsidentin Claudia Gürtler. Bei einem Austausch in der Gemeinde seien die Verantwortlichen auf die einzelnen Punkte eingegangen und hätten die Fragen ausführlich beantwortet. Gürtler spricht von einem sehr guten Austausch: «Wir fühlten uns ernst genommen und konnten auf Augenhöhe diskutieren.» Grundsätzlich stehe der Gemeinderat dem Vorhaben neutral gegenüber. Es sei sinnvoll, dass das Bohrloch für weitere wissenschaftliche Zwecke genutzt werden könne.

Noch dauert es aber eine Weile, bis in Trüllikon CO2 in den Untergrund gepumpt wird. Derzeit gehe es darum, den Projektplan auszuarbeiten, die Konzession einzuholen und eine konkrete Kostenaufstellung vorzulegen, sagt Madritsch. Läuft alles nach Plan, können die ersten Tests ab Mitte 2026 stattfinden. Das Pilotprojekt läuft voraussichtlich bis 2030.

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