Die Karte des Rhonegletschers
Die Kartensammlung von swisstopo birgt viele Schätze – darunter eine grossmassstäbliche Karte des Rhonegletschers aus dem späten 19. Jahrhundert. Diese Karte aus den Anfängen der alpinen Gletscherforschung und ist ein Unikat, das heisst sie wurde vollständig von Hand mit Tusche und Aquarellfarben ausgefertigt.
16.04.2018 | DKW
Frühe Gletscherkarte
Die Geschichte der Karte beginnt 1874, als der Schweizer Alpen-Club und die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft die Gletscherkommission gründen, mit dem Ziel, sich noch ausgiebiger mit der Gletscherforschung auseinanderzusetzen. Die technische Unterstützung dafür leistet das Eidgenössische Topographische Bureau, der Vorgänger des heutigen Bundesamtes für Landestopografie. Die Wahl fällt auf den Rhonegletscher, da er leicht zugänglich ist und die typische Struktur eines alpinen Gletschers aufweist. Umgehend werden Messungen begonnen. 1881 übernimmt der Topograf Leonz Held die Leitung des technischen Projektbereiches und erstellt diese Karte ein Jahr später, also 1882. Es handelt sich um ein Aquarell, das als einer Wandkarte mit 228 Zentimetern Länge und 115 Zentimetern Breite von Hand gezeichnet und gemalt und in nur einem einzigen Exemplar ausgefertigt wurde. Die Karte bildet den unteren Teil des Gletschers im Massstab 1:2 000 ab und ist leicht nach Nord-Nord-Ost ausgerichtet. Ursprünglich vergab die Gletscherkommission einen Auftrag für eine Karte im Massstab 1:5 000, allerdings entschied sich Leonz Held für die Erstellung einer Karte im Massstab 1:2 000, um die Gletscherbewegung detaillierter einzeichnen zu können.
Ein malerisches Meisterwerk
Tatsächlich ist die Karte nicht nur die topografische Darstellung eines Gebiets zu einem bestimmten Zeitpunkt; sie zeigt auch die Gletscherbewegung zwischen 1874 und 1899 auf. Zur Messung der Bewegung wurden Reihen von eingefärbten Steinen entlang von geraden, im rechten Winkel zum Gletscher stehenden Linien ausgelegt. Anschliessend wurde das jährliche Fortschreiten jeder Steinlinie gemessen, indem Fixpunkte, die an den Gletscher angrenzenden Felsen markiert waren, als Referenz dienten. Auf der Karte wird die Entwicklung mit aufeinanderfolgenden Farblinien dargestellt. Mithilfe dieser Technik wurde eine Fliessgeschwindigkeit von bis zu 210 Metern pro Jahr gemessen.
Der Sander (Bereich zwischen dem Gletscherende und dem Hotel Glacier du Rhône in Gletsch) zeigt schon zu dieser Zeit einen deutlichen Rückgang des Gletschers. Auf der ersten, 1854 veröffentlichten Dufourkarte erstreckt sich der Gletscher noch bis nach Gletsch. Der auf der Karte von Held dargestellte Zustand des Gletschers wurde 1874 von Philipp Gosset gemessen und die unauffälligen schwarz und blau geschriebenen Daten an dessen Ende zeigen den Rückgang bis zur blauen, breitesten Linie von 1899. Im Jahresbericht 1890 des Schweizer Alpen-Clubs allerdings beschreibt Leonz Held die Winter von 1887 bis 1890 als kurze Wachstumsphasen. Die Mehrjahresbilanz bleibt trotzdem negativ, wird jedoch abgemildert. Er zeigt sich sogar optimistisch: Eine deutliche Wachstumsphase sei in naher Zukunft „wahrscheinlich“. Laut den aufgezeichneten Messungen über den Rhonegletscher kommt das nächste Wachstumsjahr 22 Jahre später, also 1912, doch die Gesamtbilanz seit Messbeginn bleibt entschieden negativ.
Zeitdokument der Gletschervermessung
Die Forschung am Rhonegletscher endete nicht mit der Fertigstellung der Karte, sondern wurde ab 1882 auf den oberen Teil ausgeweitet. Ungefähr sechs Kilometer des Gletschers, speziell das Akkumulationsgebiet, wurden nämlich nicht auf der Karte dargestellt. Um das Fliessverhalten zu messen, musste die für den unteren Gletscherteil verwendete Technik angepasst werden: Da in dieser Zone mehr Schnee fällt als schmilzt, wurden die eingefärbten Steine von Anfang an durch Stangen ersetzt. Zum Projektabschluss erschien 1916 ein detaillierter Bericht inklusive einer Reihe von Karten in verschiedenen Massstäben im grafischen Stil der Siegfriedkarte. Die ab 1874 durchgeführten Forschungen am Rhonegletscher waren also eine wichtige Etappe für die stetig systematischere Beobachtung der Schweizer Gletscher. Heute wird die Karte in der Kartensammlung von swisstopo aufbewahrt und durfte jüngst eine wohlverdiente Restaurierung erfahren. Die Metadaten sind im Bibliothekverbund Alexandria zu finden.
GLAMOS
Das Programm „Glacier Monitoring Switzerland“ wurde von der aus der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz hervorgegangenen Expertenkommission für Kryosphärenmessnetze (EKK) lanciert und erhält Unterstützung seitens der ETH Zürich, der Universitäten Fribourg und Zürich, MeteoSchweiz, des Bundesamtes für Umwelt und seitens swisstopo. swisstopo trägt mit der Herausgabe von Daten aus seinem Flugdienst zum Projekt bei: Luftbilder, Orthofotos und Höhenmodelle. Diese ermöglichen eine genaue Messung der Länge und Oberfläche von rund 120 Schweizer Gletschern sowie die Berechnung ihres Volumens und ihrer Masse. Zusätzlich werden Luftbilder und Karten aus dem Archiv verwendet. Ungewöhnliche Vorfälle wie im September 2017, als ein Teil des Triftgletschers über Saas-Grund (VS) abbrach, werden sofort mittels Spezialflügen dokumentiert.
Der Rhonegletscher auf der Dufour- und Siegfriedkarte:
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Foto der Karte im Grossformat
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