Ein Mann für das ganze Land
Als Beauftragter für die Landesgrenze bewegt sich Alain Wicht in der Natur, im Büro und auf diplomatischem Parkett. Seine Gewandtheit beschert ihm im Berufsalltag einzigartige Momente.
02.05.2022 | DKW

Rund ein Drittel seiner Arbeitszeit verbringt Alain Wicht in der Natur. Bevor er am Morgen jeweils losfährt, verstaut er die Utensilien in seinem Kleinbus, manchmal auch in einem Geländewagen von swisstopo. Im Gepäck hat er Vermessungswerkzeuge und drei Kisten Material: «Farbe, Pinsel, Wasserwaage, Meter, Zement, Bürste, Säge und einen Feldstecher», zählt er auf. «Man weiss nie, was einen erwartet», so der Geomatiktechniker. Auch einen Rucksack hat er stets dabei. Darin befinden sich Proviant, warme Kleider, das Kleinmaterial und sein Satelliten-Messgerät. Als Beauftragter für die Landesgrenze ist Alain Wicht stets auf der Suche nach Grenzsteinen, Grenzplatten und gemeisselten Grenzmarkierungen. Er erklimmt Berggipfel, kämpft sich durchs Dickicht der Wälder und überquert notfalls schwimmend Gewässer, um jenen Punkt zu orten, der die Schweiz vom Nachbarland trennt.

Abenteuerlicher Alltag
Ist die Grenzmarke gefunden, wird sie von Alain Wicht neu vermessen, gereinigt und gepflegt. Unter den Grenzsteinen gibt es Exemplare, die bis auf das 16. Jahrhundert zurückgehen. «Die Schönsten liegen an der Grenze zu Frankreich», so Alain Wicht. Manche sind mit dem Symbol der französischen Monarchie, der Fleur de Lys, oder dem Bären von Bern graviert. Um seinen abenteuerlichen Arbeitsalltag bewältigen zu können, muss er nebst Vermessungskompetenz auch Fitness mitbringen und in der Lage sein, die Risiken richtig einzuschätzen. Ein Element ist in seinem Beruf immer entscheidend: das Wetter. Bleibt im Frühling der Schnee lange liegen oder steht im Sommer ein Gewitter an, muss Alain Wicht sein Tagesprogramm flexibel den Verhältnissen anpassen.

Diplomatisches Gespür
Auch Gespür im Umgang mit den Verantwortlichen der Nachbarländer ist in seinem Beruf gefragt, denn in seiner Funktion ist er Mitglied von verschiedenen technischen und politischen Kommissionen. Steht eine Sitzung an, tauscht er seine Outdoor-Kleider mit Anzug und Krawatte und wandelt sich vom Berggänger zum Diplomaten. «Ich mag die Vielseitigkeit, die mir meine Tätigkeit bei swisstopo bietet», bemerkt er. Regelmässig reist er nach Italien, Frankreich, Deutschland, Liechtenstein und Österreich oder empfängt Delegationen in der Schweiz, um aktuelle Themen bilateral zu besprechen. Seine Sprachgewandtheit kommt dem Bilingue dabei entgegen. «Wir haben mit jedem Nachbarland ein Abkommen, das die Kontrolle und den Unterhalt der Grenze regelt», erklärt er.

Grenze neu vermessen
Zurzeit ist er mit einem aussergewöhnlichen Projekt beschäftigt: Die Grenze zwischen Italien und der Schweiz muss kontrolliert und teilweise neu vermessen werden, da sich deren Verlauf verändert. Gletscher schmelzen und Wasserscheiden finden neue Wege. Das Abkommen aus dem Jahr 1960 ist nicht mehr aktuell und soll angepasst werden. Am Projekt beteiligen sich beide Länder. Alain Wicht ist für das Gebiet von Chiasso bis zur französischen Grenze zuständig.
Die Markierungen und Grenzsteine befinden sich teils in schwindelerregender Höhe, sodass er für diese «Grenzbegehung» auch mit einem Armeehelikopter unterwegs ist. «Zusammen mit dem Piloten orte ich mittels Navigationssystem den Punkt», erklärt er das Vorgehen. Gibt es vor Ort keine Landungsmöglichkeit, wird Alain Wicht aus dem schwebenden Helikopter abgesetzt und später wieder aufgenommen. Der Routinier bleibt auch in dieser Situation ruhig: «Ich atme durch und mache dann meine Arbeit.» Je weiter der Horizont, desto präziser das Ergebnis: Das Messgerät kann sich unter freiem Himmel problemlos mit bis zu 32 Satelliten verbinden. Nach einer Minute Messung ergibt das ein Resultat mit einer Genauigkeit, die unter einem Zentimeter liegt.
Mit Satelliten verbunden
Die Vermessung der Landesgrenze basiert auf dem Global Navigation Satellit System (GNSS). Dazu nutzt der Beauftragte für die Landesgrenze Vermessungswerkzeug wie Empfänger, Rechner und Stativ. Vor Ort empfängt das Gerät Signale von Satelliten, sodass eine genaue Positionierung vorgenommen werden kann. Alain Wicht misst jeden Grenzpunkt zweimal und wertet die Daten anschliessend im Büro aus. Bevor die Ergebnisse in die amtliche Vermessung einfliessen, müssen sie mit dem Nachbarland geteilt werden.
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