Wie der Mount Everest nach Wabern kam
Innerhalb von knapp 8 Jahren entstand mit Hilfe einer Vielzahl von Menschen und durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Nationen ein kartografisches Meisterwerk. Im Jahre 1988 wurde die Mount Everest Karte im Massstab 1:50 000 im renommierten International Geographic Magazin veröffentlicht. Rechtzeitig zum 100-jährigen Jubiläum der National Geographic Society und zum 150-jährigen Jubiläum des Bundesamtes für Landestopografie. Hier in Wabern liefen die Fäden für die Vollendung der einzigen Karte, welche das Dach der Welt in Landeskartenqualität abbildet, zusammen.

Die Mount Everest Karte wie eine Schweizerkarte
Zum ersten Mal in der Geschichte wurde der höchste Berg der Welt vermessungstechnisch überflogen. Der Auftrag für das waghalsige Projekt kam aus Amerika, das Flugzeug aus Schweden und die Kamera aus der Schweiz. Die Kartografie des Mount Everest war ein gemeinsames Forschungsprojekt, an welchem Menschen aus 9 Ländern beteiligt waren, alle mit einer gemeinsamen Mission: die Erstellung der ersten Landeskarte des Mount Everest. Das Bostoner Museum of Science und die National Geographic Society finanzierten das anspruchsvolle Projekt und vergaben die technische Planung und Realisierung an die Swissair Photo + Vermessungen AG. Initiiert wurde das Projekt durch Bradford Washburn, ehemaliger Direktor des Bostoner Museum of Science und passionierter Alpinist. Washburn hatte mit der Kartierung des Mount Kinley und des Grand Canyon bereits ähnliche Projekte realisiert, bei welchen er die Zusammenarbeit mit den Schweizer Kartografenspezialisten der Swissair Photo + Vermessungen AG und des Bundesamtes für Landestopografie schätzen lernte. Für ihn stand das Ziel fest: die neue Mount Everest Karte sollte aussehen wie eine Schweizer Landeskarte 1:50 000. In den Jahren 1981 und 1984 erhielt Washburn - nach jahrelangen Bemühungen - die Erlaubnis der chinesischen und nepalesischen Regierungen für die fotogrammetrischen Flugaufnahmen der Everest Region. Die fehlenden Einwilligungen der Regierungen waren bis dahin einer der Gründe, warum es keine genauen Karten des Mount Everest gab. Andererseits lag dies auch an technischen Schwierigkeiten, da der Flug durch die erforderliche Flughöhe und die schwierigen Wetterbedingungen erschwert wurde.
Fotos von «Columbia»
Am 02. Dezember 1983 flog die US-Raumfähre «Columbia» über den Himalaya und schoss eine Serie von Stereofotos. Für die Luftfotografie wurde ein schwedischer Learjet 35 der Swedair gechartert und eine Schweizer Wild RC-10 Vermessungskamera eingebaut. Für das Herstellen einer genauen Karte waren wolkenloses Wetter und eine Bergwelt ohne Schneeverwehungen wichtig, was im Himalaya nur im Dezember der Fall ist. Am 20. Dezember 1984 hob die Maschine vom Flugplatz Katmandu ab.Trotz schwieriger Witterungsverhältnisse, einer Geschwindigkeit von bis zu 800km/h und einer Flughöhe von bis zu 13 100 Metern waren gestochen scharfe Bilder das erfolgreiche Ergebnis. Sofort nach der Landung wurden die Filme in einer improvisierten Dunkelkammer entwickelt und die Flugbahnen kontrolliert. Die Bilanz war 160 Bilder mit unglaublichen Details, wie im Schatten liegende Schneefelder.
Ein Meisterwerk
Die Swissair Photo + Vermessungen AG führte die Luftbilder mit den gemessenen Kontrollpunkten der Raumfähre zusammen. Dabei entstanden im Zeitraum zwischen 1985-1988, 10 Auswertungsblätter im Massstab 1:10 000. Vollendet wurde die Mount Everest Karte im Bundesamt für Landestopografie, wo die kartografisch-redaktionellen Arbeiten mit viel Aufwand und Hingabe eingefügt wurden. Von 1986-1988 wurde in Wabern mittels aufwändiger Handarbeit die Fels- und Gletschergravur in die Karten gezeichnet, für welche die Landestopografie so berühmt ist. Durch die Spritzpistole erhielt die Karte abschliessend ihre dreidimensionale Wirkung. Die unzähligen Details, die der Karte so beigefügt wurden, verlangten eine ausserordentliche Präzision und Ruhe. Die Reaktionen auf die Karte zeigten, dass sich die aufwendige Arbeit gelohnt hatte. So bezeichnete The Geographic Journal die Karte als "ein Meisterwerk, das die Schönheit der Natur und wissenschaftliche Information in der lebendigsten Weise zeigt." Auch der Schweizer Alpinist Dölf Reist, zeigte sich nach der Nutzung der Karte begeistert, lobte den Informationsgehalt und betitelte die Karte als eine "Augenweide". Offiziell gehuldigt wurde das Werk an der 16. internationalen kartografischen Konferenz in Köln im Jahre 1993, wo sie den ersten Preis gewann. Gelobt wurde unter anderem der umfassende Inhalt und das herausragende Design. Dies alles war nur möglich durch die Zusammenarbeit von all den beteiligten Ländern und Menschen, durch die Hingabe, mit welcher an diesem Projekt gearbeitet wurde und durch das Vertrauen und den Glauben in die Verwirklichung einer Vision. So konnte hier in Wabern der höchste Berg der Welt auf die Karte gebracht werden.
Weitere Informationen
- Mount Everest-Karte auf swisstopo Onlineshop
Bundesamt für Landestopografie swisstopo
Seftigenstrasse 264
3084 Wabern







